Am 30. September starb der Antisemitismus, oder zumindest die Möglichkeit Israels, ihn als Ausrede zu benutzen. Am Vorabend des jüdischen Neujahrfest hat die Welt bewiesen, dass der Antisemitismus nur noch das Erbe bestimmter Kreise geblieben ist, begrenzte Kreise, aber man kann ihn nicht mehr den meisten Regierungen der Welt anhaften. Auch der Hass auf Israel ist nicht mehr wie das Geschrei – das Geschrei Israels.

Israels Präsident Reuven Rivlin mit Obama und Netanjahu bei der Beerdigung von Shimon Peres, am 30. September 2016. Menahem Kahana/Reuters
Am 30. September hat die Welt in den deutlichsten und endgültigsten Art und Weise gesprochen: Wir lieben Israel und hassen die Besatzung; lieben Israel und hassen seine Politik; lieben Israel zu lieben, sehnen uns es zu umarmen und streben es zu verehren. Gibt uns nur ein Zeichen, einen Hinweis, ein Wort. Zeigt uns, dass ihr Frieden wollt, dass ihr irgendetwas tut in Richtung Ende der Besatzung – eine Rede, eine Verhandlung, eine Konferenz. Ein Lippenbekenntnis. Irgendetwas – und wir werden euch zuschütten mit unserer ganzen Liebe, sogar mehr als ihr verdient habt. Ihr werdet nicht mehr Aussätzige sein.
Ihr seid Aussätzige, nicht weil ihr Juden seid und nicht weil ihr Israelis seid – glaubt nicht euren demagogischen Führer, die euch das erzählen, um sich selbst und euch von der Verantwortung und der Schuld zu entbinden – ihr seid Aussätzige, weil ihr brutale Besatzer seid, ihr seid Aussätzige, weil ihr auf die ganze Welt und ihre Institutionen pfeift, so wie kein Staat der Welt es zu tun wagt.
Die ganze Welt ist gegen uns? Blödsinn. Israel ist gegen die Welt. Es kommt nicht darauf an was Israel tut? Im Gegenteil, nur das ist wichtig. Das Ende der Besatzung wird auch das Ende unseres Aussatzes sein.
Es gibt keine andere Möglichkeit die unglaubliche Offenbarung des Begräbnisses von Shimon Peres zu deuten. Ein Großteil der Politiker, die gekommen sind, hat ihn nie im Leben getroffen, andere waren die schärfsten Kritiker Israels. Die meisten wissen, dass seine tatsächliche Spende für Frieden und Gerechtigkeit viel kleiner war, als man es in den Reden geschildert hat, und dass er sicherlich kein israelischer Nelson Mandela war.
Dennoch sind sie gekommen, so wie zu Mandelas Begräbnis 2013. Sie kamen dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Aber auch um seinen Volksgenossen und Nacfolgern etwas mitzuteilen. Barak Obama gab das Zeichen und die Welt folgte ihm: Sogar das, was Peres geliefert hat – sehr begrenzte Schritte – reichte, um ihn zu würdigen, ihn und euch. Es reichte, um sein Begräbnis zu einem globalen Ereignis zu machen, um Könige und Fürsten in das aussätzige Land zu bemühen.
Es gibt kein anderes aussätziges Land, dem die Welt so viel Ehre erweist. Es gibt kein anderes verhasstes Land, bei dem die Welt sich so hinstellt bei dem Begräbnis eines seiner Politiker. Peres war kein Dissident, der gegen das Regime kämpfte und dafür einen Preis zahlte. Er war das Regime. Und dennoch ehrte ihn die Welt, weil die Welt sich so sehr sehnt Israel zu ehren – wegen der Schuld der Vergangenheit und weil Israel ein Teil von ihr ist – des entwickelten, aufgeklärten und weißen Westen. Deshalb ist die Welt so extrem und schwankend in ihrem Verhältnis zu Israel: es verehrt und verachtet es abwechselnd, manchmal mehr als Israel es verdient. Aber am 30. September hat die Welt gezeigt was sie wirklich will – Israel umarmen. Oslo, der Rückzug aus dem Gazastreifen und Peres reichten, um Israel auf Händen zu tragen. Kein Antisemitismus, kein Hass – Sehnsucht zu lieben. Aber Israel, das immer wieder die Hand beißt, die man ihm reicht, zwingt die Welt es zu verabscheuen, nach jedem Angriff auf Gaza oder dem Bau einer neuen Siedlung.
Ein vernünftiger Staat hätte der Welt zugehört. Das ist zuweilen so üblich in der Völkergemeinschaft, erst Recht wenn du keine Weltmacht bist. Israel ist eines der verwöhntesten Staaten der Welt, der von der Welt mehr Geld bekommt als jeder andere Staat und die Welt lässt es toben wie es Lust hat. Aber Israel zieht es vor der Welt ins Gesicht zu spuken und danach darüber jammern, dass man es hasst.
Auf dem Herzlberg zeigte die Welt wie leicht es wäre zu einem Zustand zurückzukehren, wo jeder Israeli stolz wäre auf sein Land und seine Staatsbürgerschaft nicht verstecken muss, aus Angst und Scham. Die Stellung Israels hängt von Israel selbst ab. Wenn es will kann es geachtet werden, wenn es will bleibt es aussätzig.
Shimon Peres genügte, damit die Welt Israel in die Luft hob, diese juden- und israelhassende Welt, die wir selbst erfunden haben.